Wir geben Einblicke in die Geschichte queerer Menschen im Laufe des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Von den Nationalsozialisten wurde jede Minderheit, jedes Anderssein gnadenlos verfolgt. Rund 50.000 schwule Männer wurden verurteilt. Viele weitere queere Personen mussten unter dem Regime der Nationalsozialist*innen und auch noch später unter LGBTQIA+-feindlichen Gesetzen leiden.

Bekannt sind viele Fälle der Verfolgung von homosexuellen Menschen. Die Nationalsozialisten sperrten viele dieser Opfer in Konzentrationslager, zwangskastrierten und ermordeten sie. Aber auch lesbische Frauen und queere Menschen waren im Nationalsozialismus großen Risiken ausgesetzt, und die Erforschung ihrer Schicksale ist bis heute bei Weitem nicht abgeschlossen. Mit verschiedenen Expert*innen-Interviews und Artikeln möchten wir zur geschichtlichen Aufarbeitung der queeren Geschichte in Deutschland beitragen und setzen uns für Vielfalt und Toleranz ein.

Eine Gruppe Menschen protestiert für Diverstität und Vielfalt und gegen den Paragraph 175 in Westberlin

Paragraph 175: Gesetz­liche Verfolgung von homo­sexuellen Männern

Die Straffreiheit von Homosexualität ist in Deutschland noch nicht lange selbstverständlich. 123 Jahre dauerte es, bis homosexuelle Männer in Deutschland ihre Sexualität ungestraft ausleben konnten. Erst 1994 wurde der entsprechende Paragraph 175 aus dem Gesetzbuch gestrichen.

Mehr über §175

»Die polnische Regierung und die Katholische Kirche sieht LGBTQ+-Personen als Ideolog*innen und nicht als Menschen. Ich denke, dass die momentane Situation eine Konsequenz aus dem fehlenden Bewusstsein zu queerer Geschichte ist.«

Joanna Ostrowska, Historikerin, Filmwissenschaftlerin und Dramaturgin, Copright: W. Orski

Interview & Buchtipp: Forschung zu queerer Geschichte zur NS-Zeit

Wir sprechen mit den Autor*innen des Buches „Erinnern an Auschwitz – auch an sexuelle Minderheiten“. Ziel des Buches ist es an die queeren Opfer der NS-Zeit und andere Minderheiten zu erinnern. Es ist auch eine Einladung, sich mit der Geschichte der betroffenen Personen auseinanderzusetzen und in den Dialog zu gehen.

Homo­sexual­ität im National­sozialismus

(Vermeintlich) homosexuelle Männer wurden mit dem §175 des Strafgesetzbuches seit dem Kaiserreich kriminalisiert. Ab den 1930er Jahren wurde das Gesetz massiv verschärft durchgesetzt, was zur fanatischen Verfolgung homosexueller und queerer Personen führte.

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Fotografie des queeren Pärchens Ruth Maier und Gunvor Hofmo

Queere Liebe im Visier der Nazis

Das Schicksal des lesbischen Pärchens Ruth Maier und Gunvor Hofmo zeigt, wie grausam nicht nur homosexuelle Männer verfolgt wurden. Der Nationalsozialismus zielte auch auf das Glück und häufig auch das Leben aller queerer Menschen ab. Raimund Wolfert erzählt in seinem Gastbeitrag von einem Pärchen, dass diese Grausamkeit erfahren musste.

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Häftlingskarte von Roman Igler, eingesperrt als Homosexueller

Verhaftet wegen Homosexualität: Roman Igler

Die polnische Wissenschaftlerin Joanna Ostrowska berichtet in einem Gastbeitrag über die Verfolgung von Roman Igler. Er wurde 1941 als homosexueller Mann in Polen im Alter von 28 Jahren wegen Unzucht mit Männern zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. 1943 deportierten die Nationalsozialisten Igler in das Konzentrationslager Auschwitz I. 

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»Die Vorurteile und die Verfolgung Homosexueller und LGBTQ+-Gruppen in Polen setzen den selben Mechanismus in Gang, den wir von früher kennen. Das ist sehr gefährlich.«

Joannna Talewicz-Kwiatkowska, Assistant professor, Institut für Ethnologie und Kulturelle Anthropologie an der Universität Warschau

Rudolf Brazda: Drei Jahre im KZ wegen Homosexualität

„Sie haben mich nicht zerstört“

Rudolf Brazda wurde als homosexueller Mann verfolgt und hat die Hölle des Konzentrationslagers Buchenwald überlebt. 2009 besuchte der damals 96-Jährige die Arolsen Archives und erzählt seine Geschichte.

Alice und Eva: Eine queere Liebes­geschichte

Alice Carlé lernte Eva Siewert 1938 kennen und lieben. Die Jüdin Alice wurde 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und hier vermutlich von den Nationalsozialisten ermordet. Eva setzte ihrer Freundin in der Nachkriegszeit in mindestens zwei Erzählungen ein berührendes Denkmal.

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Fotographie von Liddy Bacroff, einer verfolgten Trans-Frau, die im KZ Mauthausen ermordet wurde

Als homosexuell und trans verfolgt

Die transsexuelle Liddy Bacroff wurde 1938 wegen Sexarbeit als “gefährlicher Gewohnheitsverbrecher” zu drei Jahren Zuchthaus mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Sie wurde 1942 in das KZ Mauthausen gebracht, wo sie 1943 ermordet wurde. Eine Biografie, die zeigt, dass die Verfolgung von Homosexualität durch die Nationalsozialist*innen nicht auf Schwule beschränkt war.

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Häftlingsfoto von Alojzy Pawłowski, der als homosexuell verfolgt wurde

Fünf verlorene Jahre: Alojzy Pawłowski

Verhaftet und in verschiedenen Konzentrationslagern weggesperrt – insgesamt fünf Jahre seines Lebens musste Alojzy Pawłowski in Haft verbringen, weil er queer war.

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Angeklagt als Homosexueller

Stefan Blaszkowski verbrachte fast zwei Jahre in Haft, weil ein deutscher Gestapo-Mann ihn beschuldigte homosexuell zu sein und von ihm beleidigt worden sei. Der reine Verdacht genügte, um Stefan zu verurteilen. Dieses Beispiel zeigt, dass Paragraf 175 auch in Fällen angewendet werden konnte, in denen es nicht um intime Beziehungen ging.

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