Am 12. Juli findet in Gostyń die Eröffnung der ersten #StolenMemory Ausstellung in Polen statt. Es ist der Auftakt zu insgesamt vier Plakat-Ausstellungen, die die Arolsen Archives in Zusammenarbeit mit lokalen Kooperationspartnern umsetzen: dem Museum Krakau, der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Oświęcim und dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk in Gdańsk. Ziel ist es, die Kampagne #StolenMemory in Polen bekannter zu machen und eine möglichst große Zielgruppe zur Unterstützung der Arolsen Archives bei der Suche nach Angehörigen anzusprechen. Anna Meier-Osiński, Abteilungsleiterin Tracing, erzählt von den Plänen in 2019.

Sie haben viel vor in 2019: Gleich vier #StolenMemory Ausstellungen werden in Polen gezeigt. Warum diese starke Konzentration in unserem Nachbarland?

Zum einen jähren sich der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen und der Beginn des Zweiten Weltkriegs in diesem Jahr zum 80-sten Mal. Darüber hinaus hat die Suche nach Angehörigen von Opfern des NS-Regimes in Polen eine besondere Bedeutung. Mit der Kampagne #StolenMemory verfolgen wir das Ziel, die bei den Arolsen Archives verwahrten persönlichen Gegenstände früherer KZ-Häftlinge an die Familien zurückzugeben. Ein Großteil der knapp 3.000 Andenken gehört polnischen Verfolgten. Leider wissen die Menschen in Polen oft gar nicht, dass die Arolsen Archives persönliche Gegenstände ihrer Angehörigen aufbewahren. Hinzu kommen wichtige Hinweise zu Verfolgungswegen und Grabstellen in den bei uns verwahrten Dokumenten, die den Familien meistens unbekannt sind. Bei den zahlreichen Rückgaben, die wir mithilfe vieler Freiwilliger vor Ort umsetzen konnten, sind wir auf große Resonanz gestoßen. Denn auch über 70 Jahre nach Kriegsende ist es für die Menschen extrem wichtig, Gewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen zu haben.

Die #StolenMemory Kampagne ist eigentlich nach einem einheitlichen Konzept gestaltet. Und doch hat jeder Ausstellungsort eine ganz individuelle Note…

Wir können mit der Ausstellung einen lokal-historischen Bezug herstellen. Auf Plakaten, die auf dem Platz der Ghettohelden in Krakau und vor der Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim ausgestellt werden, zeigen wir Personen aus der Region. Für die Bildungsarbeit mit Jugendlichen haben wir die Schicksale junger Menschen ausgewählt, deren Lebenswelten vor ihrer Verhaftung ganz ähnlich waren und in denen sich Jugendliche heute wiederfinden können. So regen wir Freiwillige an, uns bei der Suche zu unterstützen. Lokalhistorikern aus Gostyń ist es bereits gelungen, mehrere Familien zu finden. Die Ausstellung dort zeigt die Verfolgungswege ihrer Angehörigen. Sehr hilfreich ist es auch, dass wir die Gegenstände seit 2015 im Internet zeigen. Dort kann man nach Namen und Nationalität recherchieren.

Anna Meier-Osiński, head of Tracing

Die Freiwilligen tragen durch ihr Engagement nicht nur dazu bei, die persönlichen Erinnerungsstücke an die Familien zurückzugeben. Sie übermitteln oft auch wichtige, bis dahin häufig unbekannte Informationen aus unseren Dokumenten zum Verfolgungsweg und häufig auch zu Grabstellen ihrer Angehörigen.

Anna Meier-Osiński, Abteilungsleiterin Tracing

Arbeiten Sie mit den Kooperationspartnern in Polen auch in anderen Bereichen zusammen?

In Zusammenarbeit mit der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Oświęcim möchten wir #StolenMemory für die deutsch-polnische Bildungsarbeit weiterentwickeln. In den Projekten sollen polnische Jugendliche Schicksale aus der Region recherchieren und persönliche Gegenstände an Familien zurückgeben. Ein wichtiger Bestandteil wird dabei das Gespräch mit den Angehörigen sein: Denn erst die Erkenntnisse daraus ergeben zusammen mit den Informationen und Erinnerungsstücken aus unserem Archiv sowie den Recherchen der Jugendlichen ein Gesamtbild. Mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk planen wir im Rahmen des Förderprogramms ‚Wege zur Erinnerung‘ ebenfalls, #StolenMemory als Workshop-Modul in der Bildungsarbeit weiter auszubauen. Vor einem Jahr haben wir bereits das erste Seminar für deutsche und polnische Multiplikatoren zur Arbeit mit Dokumenten und Gegenständen aus den Arolsen Archives in Kooperation mit der Jugendbegegnungsstätte Oświęcim durchgeführt.

Die Ausstellung und Kampagne #StolenMemory bedeuten für die IJBS Oświęcim einerseits Gedenken und auch Erinnerung an die Opfer der Konzentrationslager, andererseits aber auch eine große pädagogische Herausforderung. Wir hoffen, dass Schülerinnen und Schüler der lokalen Schulen zu „Botschaftern der Erinnerung” für die künftigen Generationen werden.

Elżbieta Pasternak, Bildungs-und Programmabteilung, Internationale Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim

Sind auch in anderen Ländern #StolenMemory Ausstellungen geplant?

Wir haben auch in Spanien sehr engagierte Freiwillige, sodass wir bereits dabei sind, eine spanische Ausstellung vorzubereiten. Thematischer Schwerpunkt werden die spanischen Zwangsarbeiter sein, auf deren Geschichte wir auch mit einem allgemeinen Informationsplakat aufmerksam machen und so Wissen transportieren wollen. Aber auch in Russland wäre eine #StolenMemory Ausstellung wichtig, um dort Angehörige zu erreichen. Und auch in Polen wird es nicht bei den vier Ausstellungen bleiben: Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau plant, #StolenMemory zum 80. Jahrestag des ersten Auschwitz Transports in 2020 zu zeigen, das Institut für Nationalen Erinnerung in Wrocław und das Museum Warschauer Aufstand in Warschau haben bereits angefragt. Wir haben also noch viel vor!

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