Als die Arolsen Archives 2016 die Kampagne #StolenMemory starteten, ahnte niemand, wie groß ihr Erfolg sein würde: Vier Jahre später konnte unser Such-Team – auch dank der tatkräftigen Unterstützung vieler Freiwilliger – rund 500 persönliche Gegenstände ehemaliger KZ-Häftlinge an ihre rechtmäßigen Besitzer*innen zurückgeben.

„Ich war sprachlos, als ich den Anruf erhielt,“ erinnert sich Anna Mazur. Polnische Jugendliche, die an einem #StolenMemory-Projekt an der Jugendbegegnungsstätte Auschwitz mitarbeiten, hatten sie gefunden und gaben ihr das Versicherungsbüchlein ihres Großonkels Tadeusz Sieprawski zurück. Die Arolsen Archives hatten es über viele Jahrzehnte aufbewahrt.

Die Nationalsozialsten hatten den damals 19-Jährigen nach Auschwitz und dann in das KZ Neuengamme verschleppt. Er starb 1945 kurz vor der Befreiung. „Die ganze Familie hat auf ihn gewartet. Es ist, als würde er jetzt nach Hause zurückkehren.“ Die Rückgabe der Gegenstände ist für die Familien sehr bewegend, denn mit ihnen sind oft Erinnerungen verbunden, manchmal schließen sich Lücken in der Familiengeschichte. Einige wenige Male konnten die Gegenstände sogar an Überlebende selbst ausgehändigt werden.

 

Auf der Suche nach den Besitzer*innen

1963 gelangten über Umwege persönliche Gegenstände von über 4.500 KZ-Häftlingen nach Arolsen. Sie sollten den rechtmäßigen Besitzer*innen zurückgegeben werden. Das gelang auch in vielen hundert Fällen, doch ab den 1980er Jahren wurden immer weniger Familien gefunden.

Mit der 2016 gestarteten Kampagne #StolenMemory luden die Arolsen Archives Freiwillige ein, sich an der Suche nach den Angehörigen der KZ-Häftlinge zu beteiligen. Die rund 500 Geschichten zurückgegebener Gegenstände zeigen, dass in dieser Idee ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg lag.

Wie Freiwillige das Projekt stärken

„Das Projekt hat eine Welle der Solidarität ausgelöst! Damit haben wir so nicht gerechnet“, erklärt Nathalie Letierce-Liebig, Koordinatorin der Suchabteilung der Arolsen Archives. „Viele Freiwillige aus verschiedenen Ländern – oft Privatpersonen – haben sich bei uns gemeldet und suchen in ihrer Freizeit unermüdlich nach Verwandten.“ Sie vertiefen sich in historische Dokumente, wälzen Namensregister und studieren Landkarten, um die Lebensgeschichten der Verfolgten zu rekonstruieren. Ziel der Suche ist es, Hinweise auf die heutigen Wohnorte der Angehörigen zu sammeln und Kontakt aufzunehmen. „Wo unser Such-Team nicht mehr weiterkommt, weil wir zum Beispiel keine Vor-Ort-Recherche durchführen können, leisten unsere Freiwilligen unverzichtbare Hilfe“, so Nathalie Letierce-Liebig.

Claudine Bons-Bourguignat holte vergangenes Jahr die Brieftasche und Fotos ihres Großvaters Jean Vergne in Bad Arolsen ab. 

#StolenMemory ist gewachsen

Die Gegenstände stellen eine direkte Verbindung zu den Verfolgten her. Diese Erfahrung berührt viele Menschen und sorgt für ein so großes Interesse an den #StolenMemory Ausstellungs- und Bildungsprojekten:  Die Plakatausstellung war international in vielen Städten zu sehen, darunter Paris, Barcelona, Athen, Krakau sowie im EU-Parlament in Brüssel. Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien kam eine #StolenMemory Wanderausstellung in einem mobilen Überseecontainer hinzu, die seit August 2020 in ganz Deutschland unterwegs ist.

Mit der #StolenMemory Website haben wir ein ergänzendes digitales Angebot geschaffen. Weil das Projekt auch junge Menschen sehr anspricht, haben wir zudem Bildungsmaterial für die pädagogische Arbeit entwickelt. Einen besonderen Fokus legen wir weiterhin auf die Zusammenarbeit mit polnischen Partnern, da über 900 der Gegenstände aus Polen stammen.

 

Noch lange nicht am Ende

Wir haben einiges geschafft, aber es liegt noch viel Sucharbeit vor uns: Noch immer warten mehr als 2500 Effekten auf ihre Rückgabe. Wir freuen uns auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit unseren Freiwilligen und hoffen auf weiterwachsende Unterstützung.

Unser Dank geht an alle, die uns bei diesem wichtigen Projekt geholfen haben!  

Wir wissen, dass wir nicht alle Effekten zurückgeben werden. Museen und  Gedenkstätten haben jedoch Interesse an diesen „hoffnungslosen“ Effekten als Leihgaben bekundet, um die Erinnerung an die Männer und Frauen weiterleben zu lassen, die in vielen Fällen ihr Leben geopfert haben, um für Freiheit zu kämpfen.

Natalie Letierce-Liebig, Koordinatorin der Suchabteilung der Arolsen Archives
Jetzt Spenden
Mehr erfahren