NS-Schriftleitergesetz: Das Ende der Pressefreiheit
„Ich habe die natürliche Absicht, der warmherzige Beschützer der deutschen Presse zu sein und zu bleiben“: Mit diesen Worten führte Propagandaminister Joseph Goebbels am 4. Oktober 1933 das sogenannte Schriftleitergesetz ein – ein Gesetz, das die Arbeit von Journalist*innen bzw. Schriftleitern (ein Wort, das ausgewählt wurde, weil es deutscher klang) in Deutschland grundlegend änderte.
Voraussetzung für die Ausübung des Berufes war von nun an die Eintragung in eine Berufsliste – in die nur Menschen mit „Ariernachweis“ aufgenommen wurden. Außerdem mussten Schriftleiter eine einjährige Berufsausbildung vorweisen, erst nach einem Lehrgang mit abschließender Prüfung war dann die Tätigkeit möglich.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1934 wurden deshalb viele hunderte Journalist*innen arbeitslos: Sie hatten keine Chance, in diese Berufsliste aufgenommen zu werden, weil sie jüdisch beziehungsweise nicht arisch waren oder als Regimegegner*innen nicht im Sinne der Nazis berichten würden.
Alle Presseleute waren direkt dem Propagandaministerium unterstellt und zur Rechenschaft verpflichtet – nicht mehr ihren Verlegern.
»Schriftleiter sind in Sonderheit verpflichtet, aus den Zeitungen alles fernzuhalten (…) was geeignet ist, die Kraft des Deutschen Reiches nach außen oder im Innern, den Gemeinschaftswillen des deutschen Volkes, die deutsche Wehrhaftigkeit, Kultur oder Wirtschaft zu schwächen oder die religiösen Empfindungen anderer zu verletzen.«
Auszug aus dem Schriftleitergesetz, § 14
Ob im Deutschen Reich oder besetzten Nationen, Medienschaffende im Widerstand, wie Carl von Ossietzky, Milena Jesenská oder Titus Anno Brandsma, wurden oft verhaftet, in Konzentrationslager deportiert und misshandelt, viele auch getötet. Tatsächlich war der Widerstand gegen das Gesetz aber nicht nur deshalb überschaubar: Schriftleiter hatten nach der Gleichschaltung einen beamtenähnlichen Status inne. Linientreue Journalist*innen waren bei richtigem Verhalten quasi unkündbar.
Mit einer „Kundmachung“ der provisorischen Nachkriegsregierung wurde am 20. Juni 1945 auch das Schriftleitergesetz aufgehoben und außer Kraft gesetzt. Eine Nachwirkung, die bis heute spürbar ist: Jeder und jede kann sich Journalist*in nennen, es gibt keine gesetzlichen Zugangsbeschränkungen für diesen Beruf.