In den nächsten Wochen erinnert eine neue #StolenMemory-Ausstellung auf der Warschauer Flaniermeile Krakowskie Przedmieście an die Schicksale von 16 Verfolgten aus Polen. Das Institut für Nationales Gedenken in Polen (IPN) und die Arolsen Archives eröffneten sie zum 81. Jahrestag des ersten Transports polnischer politischer Häftlinge in das Konzentrationslager Auschwitz. Zu der feierlichen Veranstaltung kam auch die Familie des ehemaligen KZ-Häftlings Franciszek Czaplicki, um seine Taschenuhr entgegenzunehmen.

Sie kamen aus den verschiedensten Regionen Polens und wurden von den deutschen Besatzern in Konzentrationslager verschleppt, um dort schwerste Zwangsarbeit zu leisten. Viele von ihnen kamen dabei ums Leben, bei einigen ist das Schicksal noch ungeklärt. Die #StolenMemory-Ausstellung in Warschau erzählt die Geschichten von 16 meist jungen Männern und Frauen, deren persönliche Gegenstände – Uhren, Fotos, Dokumente, Schmuck – die Arolsen Archives aufbewahren. Sie waren den Menschen bei der Einlieferung in die Lager von der SS abgenommen worden. Nach der Befreiung der Konzentrationslager kamen sie mit dem Besitz Tausender anderer Häftlinge aus aller Welt auf Umwegen ins Archiv – mit dem Auftrag, die Gegenstände ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben.

 

Die Effekten der polnischen KZ-Häftlinge werden in der Warschauer Ausstellung auf Plakaten gezeigt.

„Wir haben heute immer noch 2.500 dieser Gegenstände in unserem Archiv“, erklärte Direktorin Floriane Azoulay bei der Ausstellungseröffnung. „In den letzten Jahren haben wir besonders aktiv nach den Familien der Häftlinge gesucht, um ihnen die Erinnerungsstücke zu übergeben. Durch #StolenMemory haben wir schon zahlreiche Freiwillige gefunden, die uns vor Ort bei der Suche helfen. Dank ihrer Unterstützung konnten wir schon Hunderte Rückgaben organisieren.” Die #StolenMemory-Ausstellungen zeigen nicht nur die Biographien von Verfolgten und die Geschichten einiger Rückgaben an die Familien, sondern rufen die Menschen auch explizit zur Mithilfe bei der Suchkampagne nach Angehörigen auf. 

Viele Helfer in Polen

Zahlreiche der Effekten gehörten polnischen KZ-Häftlingen. Deshalb sind wir mit #StolenMemory in Polen besonders aktiv. Dort haben wir schon einige Ausstellungen gezeigt und viele freiwillige Helfer gefunden. In Kooperation mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk (DPJW) realisieren wir die Kampagne als deutsch-polnisches Jugendbegegnungsprojekt. Mit der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim/Auschwitz (IJBS) haben wir #StolenMemory zum Bildungsprojekt gemacht: Jugendliche recherchieren Schicksale aus der Region und suchen nach den die Familien der Verfolgten suchen.

„Eine unbezahlbare Erfahrung“

Die Warschauer Ausstellung stellt drei ehemalige Häftlinge vor, deren Familien schon gefunden wurden. Zu ihnen gehört Franciszek Czaplicki, dessen Taschenuhr im Rahmen der Ausstellungseröffnung an seinen Großneffen Kamil Kaczyński und seinen Enkel Andrzej Czaplicki übergeben wurde. „Nach mehr als 75 Jahren ist es eine unbezahlbare Erfahrung, etwas zu sehen und anzufassen, das unserem Großvater, Urgroßvater, Onkel gehört hat“, sagte Kamil Kaczyński. Er hatte selbst über das Schicksal seines Großonkels recherchiert. Vom IPN bekam er den Hinweis, dass die Arolsen Archives Dokumente und die Taschenuhr aufbewahren und sogar Informationen zu Franciszeks Grabstätte haben.

 

Franciszek Czaplicki wurde am 8. Dezember 1903 in Darmopychy als drittes von sieben Kindern geboren. Er heiratete Stefania Najdzik und lebte mit ihr und zwei Söhnen in der Nähe von Warschau. Franciszek wurde im Warschauer Aufstand verhaftet. Er kam ins KZ Stutthof und später ins KZ Neuengamme, wo er am 12. November 1944 starb. Die Übergabe seiner Taschenuhr in Warschau ermöglichte auch eine Familienzusammenführung, denn seine Angehörigen hatten erst durch die Recherchen der Arolsen Archives voneinander erfahren.

 

Große Bedeutung für Polen

Bei der Ausstellungseröffnung waren zahlreiche Medienvertreter vor Ort, um über #StolenMemory und die Schicksale der Verfolgten zu berichten und so weitere Freiwillige zu aktivieren, die bei der Suche nach den Angehörigen helfen können. Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda ließ einen Brief verlesen, in dem er die Bedeutung der Ausstellung und der Kampagne für Polen würdigt. Hier ein Auszug:

»Die persönlichen Gegenstände der Verfolgten sind wichtige Erinnerungsstücke für die Angehörigen. Ich bin froh, dass sie jetzt zu ihren rechtmäßigen Besitzern zurückkehren und hoffe, dass die Ausstellung das Interesse an diesen wertvollen Familienartefakten und ihrer dramatischen Bedeutung steigert. Lassen Sie diese Ausstellung vor allem eine Hommage an Millionen unserer Landsleute und Mitbürger sein, die während des Krieges und der Besatzung ums Leben kamen und unvorstellbares Leid erlebten.«

Andrzej Duda, Staatspräsident von Polen

#StolenMemory ist noch bis zum 14. Juli 2021 auf der Warschauer Flaniermeile Krakowskie Przedmieście nahe des Königsschlosses in der Altstadt zu sehen. Danach wird die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem IPN voraussichtlich auch in den Städten Gdańsk, Białystok, Poznań und Rzeszόw gezeigt.

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