Olympische Spiele
Die Olympischen Spiele sind Großereignisse mit globaler Strahlkraft. Wir nutzen die Gelegenheit, um an Sportler*innen zu erinnern, die Opfer der NS-Verfolgung wurden. Auch viele Olympionik*innen mussten um ihr Leben fürchten: Sie passten nicht in das rassistische Weltbild der Nazis, wollten nicht kooperieren oder leisteten Widerstand.
Die Top-Leichtathletin: Lilli Henoch
Wir erinnern an die zehnfache Deutsche Meisterin Lilli Henoch, eine der bedeutendsten Leichtathletinnen der 1920er Jahre und Wegbereiterin für die gesellschaftliche Anerkennung des Frauensports.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten war ihre Sportkarriere aufgrund ihrer jüdischen Herkunft praktisch am Ende. Im Januar 1933 wurde Lilli zwar noch zur Leiterin der Damenabteilung des Sportclubs ernannt, doch bereits im Herbst 1933 folgte der Ausschluss aus dem BSC. Als Turnlehrerin unterrichtete sie an einer jüdischen Volksschule und stellte im „Jüdischen Turn- und Sportclub 1905“ eine Handballmannschaft zusammen, die zu den besten im jüdischen Sportbereich gehörte.
Nach den Novemberpogromen 1938 musste sie auch diese Arbeit aufgeben. Viele Jüdinnen und Juden versuchten der Verfolgung durch Auswanderung zu entkommen. Lilli Henoch entschied sich dagegen und lehnte Angebote im Ausland als Trainerin zu arbeiten ab: Sie blieb mit ihrer Mutter in Berlin und unterrichtete bis 1942 an einer weiteren jüdischen Schule.
Dokumente der Arolsen Archives belegen, dass die Nazis Lilli Henoch und ihre Mutter am 5. September 1942 mit dem 19. Transport in das Ghetto von Riga deportierten und vorab zur Vermögensabgabe zwangen. Mutter und Tochter kamen jedoch nie dort an: Wenige Kilometer vor der Stadt wurden sämtliche Insass*innen des Zuges in ein Waldgebiet geführt und erschossen.
Das Multitalent Otto Herschmann
Wir erinnern an Otto Herschmann, der bei den ersten olympischen Spielen der Neuzeit 1896 in Athen die Silbermedaille im 100 Meter Freistilschwimmen gewann. Der jüdische Österreicher war nicht nur ein Schwimmtalent, sondern belegte bei Olympia 1912 zusammen mit dem Nationalteam den zweiten Platz im Säbelfechten.
Obwohl der Sport seine große Leidenschaft war, studierte Otto Jura und hatte bis 1938 eine eigene Kanzlei in Wien. Neben seiner Karriere als Rechtsanwalt und Sportler, zählte er zu den Mitgründern des Nationalen Olympischen Komitees in Österreich und war von 1914 bis 1932 Präsident des Verbands Österreichischer Schwimmvereine. Am 14. Juni 1942 deportierten ihn die Nationalsozialisten in das Vernichtungslager Sobibor, wo er vermutlich am 17. Juni 1942 ermordet wurde.
Die Basketball-Legende Ralph Klein
Wir erinnern an die Basketball-Legende Ralph Klein: deutscher Jude und Holocaust-Überlebender, israelischer Nationalheld und Trainer der deutschen Nationalmannschaft.
Ralph Klein wurde am 29. Juli 1931 in Berlin geboren. Er und seine zwei älteren Geschwister Ruth und Tibor stammten aus einer ungarisch-jüdischen Familie, sein Vater besaß eine Möbelfabrik. 1939 floh die Familie aus dem nationalsozialistischen Deutschland zurück nach Budapest, doch auch dort ging die Verfolgung weiter. Sein Vater wurde von den faschistischen Milizen verhaftet, 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Seine Schwester überlebte das Lager. Die Mutter, Tibor und Ralph gelangten in eines der Schutzhäuser des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg in Budapest und entkamen so der Deportation.
Nach Kriegsende begann Ralph Basketball zu spielen. Doch auch im totalitär werdenden Kommunismus im Nachkriegsungarn litten Jüdinnen und Juden unter Antisemitismus. Die Familie Klein entschloss sich daher 1951 zur Auswanderung nach Israel. Hier begann Ralphs kometenhafter Aufstieg im Basketball: 1952 trat er Maccabi Tel Aviv bei und wurde rasch zu einem der ersten Sportidole der jungen Nation.
Als er 1977 die Mannschaft von Maccabi Tel Aviv als Trainer zum Sieg des Europapokals führte, stieg Ralph Klein endgültig zum Nationalhelden auf. Umso schwerwiegender erschien seine Zusage, ab 1983 die deutsche Nationalmannschaft zu trainieren. Für ihn war der Wechsel eng mit seiner persönlichen Geschichte verknüpft: Er sah es als einen Sieg über Nazi-Deutschland, als Israeli die deutsche Nationalmannschaft zu trainieren. Um politischen Spannungen vorzubeugen, überließ er bei Spielen zwischen Israel und Deutschland das Coaching seinen Assistenten. Klein kehrte 1986 nach Israel zurück und starb dort am 7. August 2008.
Dokumente der Arolsen Archives belegen die Abmeldung Ralphs und seines Bruders Tibor aus der Schule in Berlin am 24. März 1939, um mit der Familie auszuwandern.