An erster Stelle ist die Onlinestellung der Dokumente aus Konzentrationslagern und Ghettos in unserem neuen Portal zu nennen, das wir in Partnerschaft mit Yad Vashem umsetzen. Wir sprechen hier von 10 Millionen Dokumenten, die weltweit der Erinnerung und Forschung dienen werden. „Digital“ stand überhaupt stark in unserem Fokus. Die ganze Abteilung Tracing, fast 100 Mitarbeiter*innen, hat ihre Prozesse umgestellt und sämtliche analogen Arbeitsschritte abgeschafft. Das heißt, vom Posteingang über die Ablage bis zum Postausgang laufen Anfragen digital und systematisch ab. Das Fazit nach nur einem halben Jahr: Die Anfragenden bekommen schneller Antwort, die Mitarbeiter*innen mehr Klarheit durch einfache und unbürokratische Arbeitsweisen.
Besonders hervorheben möchte ich die Veröffentlichung unseres e-Guides – ein Online-Tool zur Erklärung von KZ-Dokumenten. Nicht nur in Fachkreisen, auch in Medien wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) haben wir dafür viel Anerkennung erhalten. Es ist gelungen, ein fundiertes, aber zugleich einfach verständliches Standardwerk zu schaffen: gut bebildert, interaktiv und interessant.
Natürlich hatten wir auch den Erhalt unseres einzigartigen Denkmals aus Papier im Blick. Fördergelder und Partner haben uns in dieser absolut grundlegenden Aufgabe unterstützt. Dringende Projekte wie die Entsäuerung von Versorgungsakten der Displaced Persons konnten erfolgreich abgeschlossen werden. Das ist umso wichtiger, als gerade im digitalen Zeitalter das Archiv unser Herzstück bleibt, das mit seiner Authentizität gegen Fehlinformationen und Ignoranz ansteht.
Völligen Stillstand mussten wir leider beim Archivbau hinnehmen. Äußere Umstände haben uns auf das Jahr 2016 zurückgeworfen, sprich: Der politische Wille für den Neubau ist da, aber alle Pläne liegen auf Eis. Das ist besonders beunruhigend, denn ein Weltdokumentenerbe gehört nicht langfristig in ein Zwischenlager. Andererseits sehe ich in dem Baustopp Chancen. Dachte man ursprünglich an einen reinen Zweckbau, wird immer klarer, dass der Bau unserer aktuellen und künftigen gesellschaftlichen Rolle gerecht werden muss. Wir können nicht nur virtuell als renommiertes internationales Zentrum über NS-Verfolgung auftreten. Ein Ort der Erinnerung und Wahrheit wird für Europa umso bedeutender, je mehr Zulauf Populisten haben, je weiter weg die Geschichte rückt. Ein vereintes Europa ist nicht selbstverständlich. Wir müssen es aktiv erhalten. Unsere eigne Geschichte ist eng mit dem Aufbau und dem friedlichen Miteinander in Europa verknüpft. Diesen Zusammenhang unterstrich unsere Konferenz im vergangenen Oktober über die Geschichte der Suche und Dokumentation von Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung: 120 Expert*innen aus 12 Ländern kamen nach Bad Arolsen. Die Konferenz war ein Meilenstein in der Vorbereitung unserer ersten Dauerausstellung, die 2019 eröffnet wird, allerdings ebenfalls an einem provisorischen Ort in einem ehemaligen Kaufhaus in Bad Arolsen.
Zum Ende möchte ich auf einen Neuanfang zu sprechen kommen: 2018 war das letzte Jahr, an dem die Institution komplett als ITS auftrat. Bei Erscheinen des Jahresberichts sind wir die Arolsen Archives. Denn längst geht der ehemalige Suchdienst neue Aufgaben an, die eine Welt im Wandel stellt. Mit dem in immer weiteren Teilen online stehende Welt-Dokumentenerbe und vielen neuen Projekten inspirieren wir den öffentlichen Diskurs und aktivieren neue Zielgruppen. Daher der neue Name – einprägsam und konkret und mit einem modernen Auftritt. Ich bin überzeugt, dass wir uns damit bestens positionieren und für Toleranz und demokratische Werte eintreten können. Und ich freue mich darauf.